Erzählnachmittag im Pflegeheim

Woraus besteht das Leben?

Aus lauter Geschichten die wir täglich erleben. Bedeutsame oder ganz belanglose, besinnliche, schräge oder aufregende Geschichten.

Dazu bietet sich der Erzählnachmittag an: hier treffen sich unterschiedliche Menschen, die ihre Geschichten, Erlebnisse und Erinnerungen zu einem in der Regel bestimmten Thema erzählen und dazwischen werden Märchen und Geschichten von mir erzählt.

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Tel: 071 440 35 32

Email: valentin.barbara35@gmail.com

Praxis:

    SonnenTanz & MärchenDuft

           Barbara Valentin

            Apfelbaumstr. 15

               9320 Arbon

Hans im Glück

Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient und sagte: „Herr, meine Zeit ist vorüber, nun will ich wieder heim zu meiner Mutter.“

Der Herr antwortete: „Du hast mir treu gedient; wie der Dienst war, so soll der Lohn sein“ und gab ihm ein Stück Gold, so gross wie Hansens Kopf. Hans zog sein Tüchlein aus der Tasche, wickelte den Klumpem hinein, nahm ihn auf die Schulter und machte sich auf den Weg. Wie er so ein Bein vors andere setzte, sah er einen Reiter, der frisch und fröhlich vorbeitrabte: „Ach“, sprach Hans laut, „wie schön ist doch das Reiten!“ Der Reiter hielt an und rief: „Ei, Hans, warum gehst du auch zu Fuss?“ „Ich muss ja wohl“, antwortete er, „einen Klumpen muss ich heimtragen: Es ist zwar Gold, aber er drückt mir auf die Schulter.“ „Weisst du was“, sagte der Reiter, „wir wollen tauschen: Ich gebe dir mein Pferd, und du gibst mir deinen Klumpen.“

Hans war froh, als er kurz darauf auf dem Pferd sass und so leicht und frei dahinritt. Nach einem Weilchen aber fing das Pferd zu galoppieren an, und ehe sich`s Hans versah, lag er im Graben. Das Pferd wäre auf und davon gerannt, wenn nicht ein Bauer es aufgehalten hätte, der eine Kuh vor sich hertrieb.

Hans sagte verdriesslich: „Es ist ein schlechter Spass, das Reiten. Da lob ich mir Eure Kuh, da kann man gemächlich hinterhergehen und hat obendrein jeden Tag Milch, Butter und Käse.“ „Nun“, sprach der Bauer, „dann tausche ich Euch das Pferd gegen die Kuh ein.“ Hans willigte mit tausend Freuden ein.

Die Hitze aber wurde drückender, je näher der Mittag kam, und Hans klebte vor Durst die Zunge am Gaumen. „Dagegen lässt sich etwas tun“, dachte er, „jetzt will ich meine Kuh melken.“ Er band sie an einen dürren Baum und stellte seine Ledermütze unter, aber wie er sich auch mühte, es kam kein Tropfen Miclh. Und weil er sich ungeschickt anstellte, gab ihm das ungeduldige Tier einen solchen Tritt vor den Kopf, dass er zu Boden taumelte.

Glücklicherweise kam gerade ein Metzger mit einem jungen Schwein daher. „Was ist denn hier los!“, rief er und half dem guten Hans auf. Hans erzählte, was vorgefallen war. Der Metzger sagte: „Das ist ein altes Tier, das höchstens noch zum Schlachten taugt.“ „Ei, ei“sprach Hans, „wer hätte das gedacht! Aber ich mache mir aus Kuhfleisch nicht viel. Ja, wer so ein junges Schwein hätte! Das schmeckt anders, dazu noch die Würste.“ „Hört, Hans“, sagte da der Metzger, „Euch zuliebe will ich tauschen und Euch das Schwein für die Kuh lassen.“ „Gott lohn Euch Eure Grosszügigkeit“, sprach Hans und liess sich den Strick, an den das Schweinchen gebunden war, in die Hand geben.

Auf dem weiteren Weg gesellte sich ein Bursche zu Hans, der trug eine schöne weisse Gans unter dem Arm. Und Hans fing an, von seinem Glück zu erzählen. Da sah sich der Bursche nach allein Seiten um, als wäre ihm unbehaglich. „Hört“, fing er an, “ in dem Dorf, durch das ich gekommen bin, ist eben ein Schwein gestohlen worden. Sie haben Leute ausgeschickt, und es wäre eine schlimme Sache, wenn sie Euch mit dem Schwein erwischten.“ Dem guten Hans wurde bang: „Ach Gott“, sagte er, „seid so gut, nehmt mein Schwein und lasst mir Eure Gans“. „Das ist nicht ungefährlich“, antwortete der Bursche, „aber ich will nicht schuld sein, dass Ihr in Unglück geratet.“ Er nahm also das Seil in die Hand und trieb das Schwein schnell auf einem Seitenweg fort; der gute Hans aber ging mit der Gans unter dem Arm der Heimat zu.

„Wenn ich`s mir recht überlege“, dachte er, „war es ein guter Tausch: Erstens ist die Ganz ein guter Braten, dann gibt es eine Menge Fett, dass reicht für ein Vierteljahr Gänsefettbrot, und schliesslich die schönen weissen Federn. Was wird meine Mutter eine Freude haben!“

Als er durch das letzte Dorf kam, stand da ein Scherenschleifer mit einem Karren; sein Rad schnurrte, und er sang dazu: „Ich schleife die Schere und drehe geschwind und hänge mein Mäntelchen nach dem Wind.“ Hans blieb stehen und sah ihm zu; endliche sprach er ihn an: „Euch geht es gut, Ihr seid so lustig beim Schleifen.“ „Ja“, antwortete der Scherenschleifer, „das Handwerk hat goldenen Boden. Unsereiner findet Geld in der Tasche, sooft er auch hineingreift.“ „Das möchte ich wohl auch“, sagte Hans. “ Dann müsst Ihr ein Schleifer werden wie ich. Da habe ich einen Wetzstein: er ist zwar nicht mehr der beste, dafür müsst Ihr mir aber auch nur Eure Gans geben; wollt Ihr?“ „Wie könnt Ihr noch fragen“, antwortete Hans, „dann habe ich Geld, sooft ich in die Tasche greife, und keine Sorgen mehr“. Hans nahm den Stein auf die Schulter und ging mit vergnügtem Herzen weiter.

Weil er aber seit Tagesanbruch auf den Beinen gewesen war, begann er müde zu werden. Wie eine Schnecke kam er zu einem Feldbrunnen geschlichen, wollte da ruhen und sich mit einem kühlen Trunk erfrischen; den Stein legte er bedächtig neben sich auf den Brunnenrand. Aber als er sich zum Trinken bückte, da stiess er ihn versehentlich ein klein wenig an, und der Stein plumpste in die Tiefe. Hans sprang vor Freude auf und dankte Gott mit Tränen in den Augen, dass er ihn von dem schweren Stein befreit habe. „So einen glücklichen Menschen wie mich“, rief er aus, „gibt es keinen unter der Sonne.“

Mit leichtem Herzen und frei von aller Last ging er weiter, bis er daheim bei seiner Mutter war.

(Brüder Grimm)